Produktmanagement

Produktmanagement ist eine disziplinübergreifende Funktion in Unternehmen und umfasst ein weitreichendes Aufgabengebiet. Sie befasst sich mit der Planung, Steuerung und Kontrolle von Produkten und/oder Dienstleistungen während des gesamten Produktlebenszyklus. Im Folgenden wird hier der Einfachheit halber nur noch Produkt gesagt, meint aber auch Dienstleistungen und Produkt-Dienstleistungsangebote (Produkt-Service System). Der klassische Produktlebenszyklus von Raymond Vernon von 1966 definiert die vier Wertschöpfungsphasen Einführungsphase, Wachstumsphase, Sättigungsphase und die Degenerationsphase. Oft wird noch die Reifephase hinzugefügt.

  • Einführung:
    Das Produkt wird auf den Markt eingeführt. Der Absatz ist zunächst gering und die Kosten hoch. Das Unternehmen muss viel Marketing betreiben, um das Produkt bekannt zu machen.
  • Wachstum:
    Der Absatz steigt schnell. Die Kosten sinken, da die Produktion effizienter wird. Das Unternehmen macht Gewinn.
  • Reife:
    Der Absatz erreicht seinen Höhepunkt. Die Konkurrenz nimmt zu. Das Unternehmen muss Preis- und Produktinnovationen nutzen, um seine Marktposition zu halten.
  • Sättigung:
    Der Absatz stagniert oder sinkt. Die Preise fallen. Das Unternehmen muss die Kosten senken, um profitabel zu bleiben.
  • Degeneration:
    Der Absatz sinkt stark. Das Produkt wird vom Markt genommen.
Stakeholder Map

Dieses Modell betrachtet den Produktzyklus aus Wertschöpfungssicht und geht nicht auf die Vorphasen wie Produktstrategie und Entwicklung oder ggf. nachgelagerte Phasen wie Entsorgung und Wiederverwertung (siehe bspw. Elektro- und Elektronikgerätegesetz oder Pfandsystem) oder auch Garantieleistungen ein. Diese Phasen sind aber auch im Verantwortungsbereich des Produktmanagements.

Um den Erfolg eines Produkts zu erreichen, sind verschiedene Aufgaben notwendig. Diese umfassen sowohl strategische als auch operative Aufgaben:

  • Das Verständnis der Kundenbedürfnisse, der Markt- und Umfeldbedingungen
  • Die Entwicklung der Produktstrategie und Roadmap
  • Die Produktentwicklung selbst
  • Dessen Vermarktung
  • Sowie die Messung des Erfolgs

Es kann in verschiedenen Unternehmen unterschiedlich gehandhabt werden, welche Aufgaben vom Produktmanagement und welche von anderen Rollen übernommen werden. Zudem können je nach Produkt, Dienstleistung oder Produktdienstleistung unterschiedliche Aufgaben hinzukommen oder wegfallen. So ist beispielsweise beim Pfandsystem nachgelagerte Schritte notwendig, die bei anderen Produkten nicht stattfinden.


Produktstrategie

Eine wichtige Aufgabe am Anfang des Produktlebenszyklus sowie zu Kontroll- und Anpassungszwecken innerhalb des Produktlebenszyklus ist die Entwicklung der Produktstrategie. Diese beschreibt den übergeordneten Plan, der beschreibt, was ein Unternehmen mit seinem Produkt erreichen will und wie es dies erreichen will. Sie berücksichtigt die Herausforderungen und Bedrohungen, dient aber auch als Kommunikationsmittel und gibt Klarheit über die Ziele. Sie sollte sich nahtlos in die Unternehmensstrategie fügen und nicht an dieser vorbeiwirken. Ein thematisch speziell auf die Strategieentwicklung ausgerichteter Beitrag gibt hier einen allgemeinen Überblick. In diesem Beitrag werden lediglich die einzelnen Schritte und die produktspezifischen Aspekte beschrieben:

  • Produktvision entwickeln:
    Die Produktvision ist das ambitionierte, zukunftsorientierte und langfristige Idealziel des Produkts. Die Vision definiert die Intention, für die das Produkt entwickelt wird, das spezifische Problem, das es löst, sowie den Nutzen, den es der Kundengruppe bietet.
  • Produktmission entwickeln:
    Während die Produktvision den Nutzen für die Kundengruppe in den Fokus stellt, stellt die Produktmission den Zweck und die Geschäftsausrichtung des Unternehmens in den Fokus. Sie beantwortet die Frage: Was tut das Unternehmen und für wen tut es das?
  • Sowohl Vision als auch Mission können als prägnantes Statement formuliert werden. Hilfreich ist es aber, wenn sie beispielsweise in einem Bild oder einer Grafik visualisiert werden und durch eine Geschichte unterlegt werden.

  • Kundenbedürfnisse verstehen:
    Um erfolgreiche Produkte zu entwickeln, die von Kunden und Kundinnen gekauft werden, muss die relevante Zielgruppe identifiziert und deren Bedürfnisse analysiert werden. Mögliche Methoden, um das zu erreichen, sind beispielsweise: die ersten 3 Phasen des Design-Thinking, Customer Segment des Value Proposition Canvas.
  • Markt-, Wettbewerbs- und Umfeldanalyse:
    Ein weiterer Faktor für erfolgreiche Produkte ist es, den Markt, die Wettbewerber und das Umfeld zu verstehen. Dabei sollen Chancen erkannt und Risiken vermieden werden, die durch das Produktumfeld entstehen können. Mögliche Methoden hierzu sind beispielsweise: Business Model Environment Map, PESTEL-Analyse, SWOT-Analyse.
  • Unternehmensanalyse:
    Um eine erfolgreiche Produktstrategie entwickeln zu können, muss das Unternehmen selbst untersucht werden. Dazu müssen die Unternehmensstrategie und die Stärken und Schwächen des Unternehmens bekannt sein. Mögliche Methoden hierzu sind beispielsweise: Teile des Business Model Canvas, SWOT-Analyse.
  • Stakeholder identifizieren:
    Wichtig für eine erfolgreiche Produktstrategie ist es, die relevanten Stakeholder zu kennen, die am Produkt beteiligt sind und zu identifizieren welchen Einfluss sie darauf haben und wie sie durch dieses beeinflusst werden oder davon profitieren. Eine mögliche Methode, die näher auf diese Punkte eingeht, ist beispielsweise das Stakeholder-Mapping.
  • Produktstrategie entwickeln:
    Die Produktstrategie definiert, welche Möglichkeiten in der Wettbewerbslandschaft genutzt und welche Hebel in Bewegung gesetzt werden sollen. Die Produktstrategie sollte dabei definieren, wer die Zielgruppe ist, welche Bedürfnisse durch das Produkt befriedigt werden sollen, wie das Produkt im Markt positioniert werden soll, was das Produkt ausmacht und abhebt und welche Geschäftsziele es verfolgt. Sie sollte messbare Ziele beinhalten (siehe Kontrolle und Anpassung) und die Maßnahmen definieren, um diese zu verfolgen. Es ist dabei vorteilhaft, mehrere Optionen zu entwickeln, um diese anhand der Kundenbedürfnisse, Umwelteinflüsse, verfügbare Ressourcen und Geschäftsziele bewerten zu können und eine optimale Variante zu wählen.
  • Geschäftsmodell:
    Das Produktmanagement ist für den Erfolg eines Produkts verantwortlich. Dafür ist ein erfolgversprechendes Geschäftsmodell notwendig. Es dient zudem als Kommunikationsmittel, stellt es ein Umfassendes Bild der wichtigsten Aspekte des Produkts dar. Wird beispielsweise das Business Model Canvas verwendet, kann es das auf einer Seite bewerkstelligen. Nutzt man zusätzlich die Elemente der Business Model Environment Map, sind sogar äußere Einflüsse direkt ersichtlich.
  • Roadmap entwickeln:
    Die Produkt-Roadmap (auch Produktfahrplan) ist der Übergeordnete Aktionsplan für das Produkt. Sie bildet die Vision, Richtung, Prioritäten und den Fortschritt eines Produkts im Laufe der Zeit visuell ab und dient als Mittel der Kommunikation für Kunden, Auftraggeber, Entwickler und anderer Stakeholder. Wichtigstes Ziel ist dabei zu zeigen, welche Funktionen in welchem Zeitraum eingeführt werden sollen und bildet so die erwartete Entwicklung des Produkts im Laufe der Zeit ab. Sie als Blaupause für einzelne Abteilungen und Stakeholder, um die übergeordneten Ziele und damit Prioritäten zu verstehen. Die Methode der Wahl sind hier Roadmapping Tools.
  • Kontrolle und Anpassung:
    Kontrolle und Anpassung stellen sicher, dass die Strategie effektiv und effizient umgesetzt wird und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst wird. Zur Kontrolle dienen dazu (KPIs, dt. Schlüsselkennzahlen). Das können KPIs mit Kundenbezug sein, wie: Conversion Rate, Kundenbindungsrate, Neukundengewinnungsrate, Umsatz, Kundenzufriedenheit. Es können aber auch KPIs zum Produkt sein, wie: Markteinführungszeit, Fehlerdichte, Akzeptanzrate, Rücklaufrate. Das bedeutet aber auch, den Markt zu beobachten und auf Änderungen zu reagieren. Werden Abweichungen zu den definierten Zielen festgestellt, so muss die Strategie angepasst werden. Eine Anpassung ist in einer agilen Produktentwicklung beispielsweise mit Scrum durch eine stetige Validierung relativ einfach umsetzbar. Für ein klassisches Vorgehen müssen dann Änderungsprozesse und -maßnahmen entwickelt und durchgeführt werden.


Produktentwicklung

Sind die strategischen Rahmenbedingungen definiert, kann das Produkt selbst entwickelt werden. Als Verantwortlicher für den Erfolg eines Produkts ist das Produktmanagement natürlich auch in die Entwicklungsphasen involviert. Es ist vorwiegend für die Wertsteigerung des Produkts verantwortlich. Das kann nur geschehen, wenn das Produkt den Bedürfnissen der Zielgruppe und des Zielmarktes entspricht. Dazu arbeitet das Produktmanagement eng mit dem Entwicklungsteam zusammen, um die Anforderungen und Konzepte zu spezifizieren, die Features zu priorisieren, mit allen Stakeholdern kommunizieren und den Produktfortschritt zu kontrollieren.

  • Ideenfindung:
    Einen Großteil der Arbeiten für die Ideenfindung (engl. Ideate) für das Produkt, nämlich die Betrachtung der Nutzersicht, die Umfeldanalyse und die Positionierung am Markt wurden bereits erarbeitet. Jetzt geht es darum, konkrete Ideen für diese Ziele zu definieren. Dieser Schritt ist oft schon in der Strategieentwicklung abgedeckt. Hier werden jedoch die übergeordneten Ziele konkretisiert und konkrete Lösungen entwickelt. Im iterativen Vorgehen agiler Methoden wie Scrum oder bei Anpassungen aufgrund von Abweichungen findet die Ideenfindung immer wieder über den gesamten Produktlebenszyklus statt. Mögliche Methoden sind beispielsweise: Kreativitätstechniken, die Ideenfindungsphase im Design Thinking.
  • Anforderungsmanagement:
    Ist die Produktidee klar, müssen die konkreten technischen und nichttechnischen Anforderungen an das Produkt erfasst, analysiert, dokumentiert, abgestimmt und verwaltet werden. Als Input können hier bereits die Ergebnisse aus den Analysen für die Produktvision und der Ideenentwicklung dienen. Im Anforderungsmanagement werden diese jedoch wesentlich spezifischer aufgenommen und definiert. Mögliche Methoden zur Ermittlung sind beispielsweise: Desk-Recherche, Interview- und Beobachtungstechniken, Feedbackanalyse. Mögliche Methoden zur Analyse und Bewertung sind beispielsweise: Vollständigkeitsprüfung, Kano-Modell, Weighted Scoring Model (WSM), Reviews, Prototyping. Mögliche Methoden zur Dokumentation sind beispielsweise: Templates, User-Stories, UML, BPMN, Flussdiagramme. Mögliche Methoden zur Abstimmung sind beispielsweise: Review-Techniken, Konfliktlösungstechniken.
  • Konzeptentwicklung:
    Während das Anforderungsmanagement die Anforderungen definiert, wird in der Konzeptentwicklung das Produktkonzept auf Basis der Anforderungen entwickelt. Es beschreibt die Eigenschaften, Funktionen und das Design des Konzepts. So kann eine Anforderung beispielsweise sein: Es muss möglich sein, ein Kundenkonto zu löschen. Ein konkretes Konzept spezifiziert, an welcher Stelle im Produkt und durch welche Interaktionen das möglich ist. Oft wird in einem iterativen Prozess auch ein Prototyp oder MVP entwickelt und mit der Zielgruppe getestet, um frühzeitig Feedback zu bekommen und das Verständnis der Anforderungen zu validieren. Mögliche Methoden sind beispielsweise: Mock-ups & Wireframes, Storyboards, Minimum Viable Product (MVP).
  • Produktentwicklung:
    Während der Produktentwicklung liegen die Hauptaufgaben des Produktmanagements in der Überwachung des Entwicklungsprozesses hinsichtlich der Ziele, Überwachung der Umsetzung der Anforderungen und Sicherstellung der Qualität, Identifikation von Risiken und Sicherstellung derer Minimierung und Behandlung, Kommunikation mit allen Stakeholdern und Konfliktmanagement.

Produkteinführung

  • Markteinführung und Vertrieb:
    Das Produktmanagement arbeitet eng mit dem Marketing- und Vertriebsteam zusammen, um die Markteinführungs- und Vertriebsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Zusammen mit dem Marketing-Team werden Marketingmaterialien erstellt. Es werden Preise festgelegt und Launch-Kampagnen zur Steigerung des Produktes durchgeführt. Gemeinsam mit dem Vertriebsteam werden Vertriebskanäle ausgewählt und Vertriebspartnerschaften aufgebaut. Es werden Neukunden gewonnen und Bestandskunden gehalten. Hier gibt es eine Vielzahl an Tools und Methoden aus dem Marketing und Vertrieb. Als Input können aber die gewonnen Informationen aus vorherigen Phasen wie der Empathy Map, den definierten Personas, dem Custumer Journey Mappings oder dem Business Model Canvas.
  • Erfolgsmessung:
    Das Produktmanagement misst den Erfolg des Produkts und analysiert, ob es die Kundenanforderungen erfüllt. Dazu werden KPIs definiert (siehe Kontrolle und Anpassung). Dazu werden Daten erhoben (z. B. Kunden- und Verkaufsdaten, Umfragen, Website-Analyse). Mithilfe von Analysetools und -methoden werden Daten erhoben und in Berichten und Dashboards visualisiert. Anhand der Interpretation der Informationen werden dann Maßnahmen zur Verbesserung abgeleitet und ggf. KPIs angepasst. Beispiele finden sich im vorherigen Abschnitt.
  • Weiterentwicklung und Wartung:
    Das Produktmanagement sollte bestrebt sein, ein Produkt nach seiner Markteinführung kontinuierlich zu verbessern, seine Marktfähigkeit zu erhalten und seinen Bekanntheitsgrad zu steigern. Das beinhaltet beispielsweise die Fehlerbehebung, Performanceoptimierung, Hinzufügen neuer Funktionen, Anpassung des Produkts an neue Anforderungen, Verbesserung des Nutzererlebnisses. Hierzu ist Kundenfeedback wichtig. Dazu die richtigen Kanäle zu etablieren ist essenziell.
  • Produkteliminierung:
    Die Produkteliminierung ist die Entscheidung, ein Produkt vom Markt zu nehmen. Dies kann verschiedene Gründe haben: geringes Verkaufsvolumen, veraltete Technologie, Änderungen der Kundenbedarfe, Änderungen des Marktumfelds, fehlende oder teure Ressourcen, neue Gesetze oder Vorgaben oder andere Umwelteinflüsse.

KI im Produktmanagement

KI und im Speziellen generative KI kann sehr gut im Produktmanagement unterstützen. So kann KI im Trend-Scouting unterstützen, in der Strategie- und Ideenentwicklung sowie im Marketing und Vertrieb sehr gut Informationen bereitstellen, verdichten und aufbereiten, Muster und Trends erkennen, Varianten bilden, Denkanstöße geben, Sichtweisen erläutern und Aufgaben automatisieren. In der Entwicklung kann KI zudem als Co-Programmierer agieren, Fehler erkennen und Vorschläge unterbreiten.